Sterbehilfe
Sterbehilfe ist in Deutschland ein Grundrecht, dies wird von unserer Praxis im legalen Rahmen unterstützt. Unter "Sterbehilfe" wird zumeist die Hilfe zum Sterben (legale Freitodhilfe) verstanden, andererseits aber auch die leidenslindernde Begleitung sterbenskranker Menschen (Palliativmedizin). Unsere Praxis ist engagiert sowohl in der Palliativmedizin (in Witten), wie auch in der Freitodhilfe (überregional).
Palliativmedizin - eine umfassende Information zur Palliativmedizin findet sich auf der Seite des Palliativnetz Witten e.V. ( www.sapv.de ), Thöns ist Mitherausgeber eines Palliativmedizinlehrbuchs in 4. Auflage 2023 und zur Sterbehilfe. Hierzu gab es zu Allerheiligen einen bewegenden Film im ZDF (Unterwegs an Allerheiligen), der Stern berichtete darüber ("Palliativmediziner Thöns: Der Tod ist kein Feind"), das Engagement um Palliativmedizin und auch um Sterbehilfe wurde 2025 mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gewürdigt.
Unsere Praxis betreut seit Jahren etwa 500-600 Patienten* am Lebensende, sorgt sich um gute Lebensqualität von Patienten und ihren Familien.
Mit dem Wunsch nach Verkürzung der Lebenszeit sind wir regelmäßig konfrontiert, etwa jeder vierte unserer Patienten äußert dies im Krankheitsverlauf. Stets sind wir offen bemüht, auch über diese Sorgen zu sprechen und die uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu mehr Lebenswillen aufzuzeigen. Kaum einer kann unbetroffen nachvollziehen, dass es mit den Möglichkeiten moderner Palliativmedizin oft gelingt, Leiden gut zu lindern. Insbesondere Schmerzen, Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Depression und auch Angst sind meist einer Therapie gut zugänglich. Das führt dazu, dass nach Linderung der Beschwerden der Wunsch nach Lebensverkürzung in fast allen Fällen wieder verschwindet. Selbst die Angst vor den äußerst selten auftretenden schwersten Symptomen ist grundlos: Hier dürfen wir zur Leidenslinderung Menschen in den Schlaf versetzen, notfalls sogar als Narkose bis zum Lebensende (sog. palliative Sedierung).
Unzureichende Leidenslinderung am Lebensende ist uns aus unserer Begutachtungspraxis wohl bekannt. Hier spielt leider häufig eine sich nicht begrenzen könnende Maximalmedizin, mit apparativer oder künstlicher Lebenserhaltung die führende Rolle. Dies geschieht leider oft unter unzureichender Berücksichtigung von Indikation oder Patientenwille (Übertherapie), Experten sehen den Anteil an Übertherapie am Lebensende in der Intensivmedizin bei 50% (s. ZDF Lanz).
Genau vor so einem Lebensende haben sehr viele Menschen berechtigt Angst, denn mittlerweile stirbt jeder zweite im Krankenhaus versterbende Mensch auf einer Intensivstation (Link). Hier hilft die frühzeitige Vorsorgeplanung mit der Verfassung einer Patientenverfügung (hier schreibt man auf was man möchte und was nicht) und einer Vorsorgevollmacht (hier bestimmt man eine Vertrauensperson, die im Sinne des Patienten entscheidet). In jedem Fall ist es hilfreich sich im Falle „großer Medizin“ eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung einzuholen. Die meisten in Deutschland gerichtlich entschiedenen „Sterbehilfefälle“ handelten von diesen Situationen, hier stritten dann Angehörige mit Behandlern um die sogenannte passive Sterbehilfe. Darunter versteht man das oftmals gebotene natürliche Zulassen des Versterbens unter Abbrechen oder Unterlassen lebenserhaltener Maßnahmen (angefangen vom Absetzen der Herzpille bis zum Abschalten des Beatmungsgerätes unter Narkose).
Nicht selten berichten uns Familien und Patienten, dass die letzte Lebensphase eine der schönsten und intensivsten war. Doch unsere Praxis verschließt sich dem sehr seltenen bleibenden Wunsch nach Lebensverkürzung nicht. Dabei kommen wir öfter in die Situation Menschen Wege zur Lebensverkürzung aufzuzeigen, sei es die Freitodhilfe oder das außerhalb der Sterbephase leidvollere "Sterbefasten". Auch sollte man kommerzielle Angebote, auch von einigen Sterbehilfevereinen, mit einer gewissen Vorsicht betrachten. Eine aktuelle Diskussion zeigt, dass hier ein erhebliches Qualitätsproblem besteht. Teils setzt man auf eine verpflichtende Begleitung durch Anwälte, ein Narkosearzt muss aber nicht dabei sein. Ansonsten wird wohl jeder bei einer Narkose die Anwesenheit eines Narkosearztes verlangen.
Freitodhilfe
Dass es aber zu einer Freitodhilfe kommt, ist äußerst selten und passiert trotz unserer diesbezüglich bekannten liberalen Haltung selten. Unsere Praxis begleitet hier örtlich direkt ausschließlich schwer körperlich kranke Menschen. Auch hier sehen wir natürlich Maßnahmen der Hilfe zum Leben (s.o.) als sehr wichtig an. Diese Suizidprophylaxe sollte insbesondere bei "körperlich gesunden" Menschen ganz im Vordergrund stehen. Gesetzliche Regelungen stehen hier aus und werden für 2026 erwartet.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einer auch von unserer Praxis eingelegten erfolgreichen Verfassungsbeschwerde am 26.02.2020 diverse Kriterien formuliert, um Menschen dieses Recht zu gewähren. Das schützt Menschen in behebbaren Krisensituationen, bei fehlender Freiverantwortlichkeit oder auch vor überstürzten oder fremdbeeinflussten Verzweiflungstaten. Unsere Praxis hat mit anderen renommierten Palliativmedizinern, bekannten Juristen, Kriminalkommissaren und einem Psychiatrieprofessor eine Handreichung anhand dieser Kriterien in der Zeitschrift Schmerzmedizin veröffentlicht** . Demnach sollten zwei Ärzte unabhängig voneinander feststellen, dass keine die Freiverantwortlichkeit beeinflussende geistige Störung besteht. Nur in Zweifelsfällen braucht einer der Ärzte ein Psychiater sein. Der Patient muss um die guten Behandlungsmöglichkeiten der Palliativmedizin wissen, er muss die Möglichkeiten des Behandlungsabbruchs kennen. Auch muss ihm klar sein, dass ein Selbsttötungsversuch scheitern kann und im Anschluss die Staatsanwaltschaft ermitteln muss. Es kann vorkommen, dass z.B. Lebensversicherungen ihre Leistungen verweigern. Es darf sich natürlich nicht um einen flüchtigen Wunsch handeln (seit 1 Monat bestehen und 14 Tage nach ärztlicher Beratung stabil bleiben). Hinweise, dass der Patient unter dem Druck von Dritten handelt, dürfen nicht bestehen. Ein aktuelles Infoblatt gibt weitere Hinweise.
Die eigentliche Freitodhilfe erfolgt durch das eigene Starten einer Infusion mit einem überdosierten Narkosemedikament. Unseriöse Anbieter empfehlen die Selbsteinnahme, hierzu gibt es keine gesicherten Erfahrungen und der Versuch scheitert erschreckend oft durch das Erbrechen des Giftes. Hierzu ist eine Fachdiskussion in Österreich entstanden (link): die meisten Selbsttötungsversuche mit selber eingenommenen Medikamenten scheitern, teils mit gravierenden Folgen. Insofern möchten wir sehr vor der Nachahmung diverser "Empfehlungen zur Eigenanwendung" in der einschlägigen Literatur warnen.
Übrigens - wenngleich viele Ärztefunktionnäre Sterbehilfe ablehnen, so ergibt eine aktuelle Befragung folgendes
Fast alle Ärzte (99%) lehnen für sich selber eine Wiederbelebung und Beatmung ab, sollten sie schwer an Krebs oder an Alzheimer erkranken. Sie sprechen sich für eine gute Palliativversorgung (leidenslindernde Behandlung – 90%) aus. Darüber hinaus hält über die Hälfte die Sterbehilfe für sich selber für angemessen.
Für Behandlungen durch unser Team wenden Sie sich bitte telefonisch an unsere Praxis (57093), ggfs. sprechen Sie eine Rückrufbitte auf das Band. Sollten Sie nicht in Witten wohnen und einen Sterbewunsch haben, erbitten wir den Kontakt über email (at) sapv.de. Wir lassen Sie nicht im Stich und reagieren sehr schnell!
*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird aus redaktionellen Gründen bei Personenbezeichnungen auf dieser Website die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter
© Springer Medizin, mit freundlicher Genehmigung
aktuelles Interview in AlleSeiten
Sterbehilfe – Wo stehen wir und wo geht es hin?
Die meisten Deutschen sind falsch informiert und denken, dass Sterbehilfe in Deutschland verboten sei. Immer wieder hört man Forderungen nach einer liberalen Lösung mit Verweis auf die Nachbarländer, in denen es eine Regelung zur Tötung auf Verlangen gibt. Richtig ist, dass die Tötung auf Verlangen[1] in Deutschland eine Straftat nach § 216 des Strafgesetzbuches ist. Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2020 gibt es in Deutschland dagegen mit eine der liberalsten Rechtslagen zur Sterbehilfe in der Welt: Es ist ein Grundrecht freiwillig angebotene Freitodhilfe in Anspruch zu nehmen. Legitim ist dies allerdings nur, wenn der Sterbewillige wirklich freiverantwortlich handelt, deshalb wird hier auch der Begriff „Freitodhilfe“ gewählt.
Der Streit um den richtigen Weg im Umgang mit freiverantwortlichen Selbsttötungen hat in Deutschland nach über zehn Jahren Diskussion inzwischen zu starren Positionen geführt.[i] Auf der einen Seite sorgt sich eine konservative Seite um einen zu geringen Lebensschutz verletzlicher Gruppen, falls es zu gesetzlichen Reglungen in Fragen der Freitodhilfe kommt. Im Gegensatz dazu sorgt sich die liberale Seite um eine Pflicht zum qualvollen Weiterleben.
Weitgehend von beiden Lagern ist anerkannt, dass es Situationen gibt, in denen Medizin nicht ausreichend helfen kann. Das konservative Lager vertritt jedoch die Auffassung, körperliches Leiden sei praktisch immer zu lindern. Schließlich sei bei körperlichem Leiden im Extremfall stets auch die Möglichkeit einer Dauernarkose (palliative Sedierung) möglich. Mit Regelungen zur Freitodhilfe würde aber die gesellschaftliche Aufgabe nicht mehr ernst genug verfolgt, das Weiterleben auch mit Alter und Leiden nicht so lebenswert zu gestalten, wie es möglich wäre.
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist klargestellt und gesellschaftlich mehrheitlich anerkannt, dass Freitodhilfe ausschließlich bei den seltenen Fällen in Frage kommt, in denen der Selbsttötungswunsch ernsthaft, stabil, informiert und freiverantwortlich ist. Im Gegensatz dazu kommt es im Alltag in über 90% der Fälle bedrückend oft zu Selbsttötungen aufgrund geistiger Erkrankungen oder vorübergehender Krisen, in denen die Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt ist. Erfüllt der Patient nicht die strengen Kriterien der Freiverantwortlichkeit, droht dem Helfer eine Haftstrafe. So musste ein Nervenarzt 2025 nach Bestätigung seiner Verurteilung wegen „Totschlags“ durch den Bundesgerichtshof seine Haft antreten, weil er eine Selbsttötungshilfe bei einem psychisch kranken Mann leistete und Gutachter mangelnde Freiverantwortlichkeit feststellten.
Selbsttötungen führen zur Nachahmung. Eindrücklich belegt ist dieses gemeinhin auch als Werther-Effekt bezeichnete Phänomen nach Selbsttötungen von Prominenten, die die Selbsttötungsrate der berichteten Methode um bis zu 44% steigen ließ. Daher sollten Empfehlungen in der einschränkenden Berichterstattung über Selbsttötungen zwingend befolgt werden.
Niemand darf zur Unterstützung einer Selbsttötung verpflichtet werden. Andererseits sollte die Freitodhilfe Ärzten auch nicht untersagt werden. Dem haben die höchsten deutschen Richter einen klaren Riegel vorgeschoben: Die Klagen der Ärzte obsiegten auch unter Verletzung ihres Rechts auf freie Berufsausübung aus Art. 12 des Grundgesetzes. Trotz dieser klaren Rechtslage gibt es Ärzteverbände, die Ihren Mitgliedern explizit empfehlen, keine Freitodhilfe zu leisten oder zu unterstützen. Dabei ist medizinisches Fachwissen zu Fragen der Freitodhilfe in vielerlei Hinsicht hilfreich, z. B. um:
· Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit auszuschließen,
· Alternativen aufzuzeigen und damit den Lebensschutz in den Blick zu nehmen,
· den Sterbevorgang möglichst leidlos verlaufen zu lassen.
Einigkeit besteht weitgehend, dass ein lebensfreundliches Klima zu schaffen ist durch Förderung von Suizidprävention, den Ausbau der Hospizarbeit und der Palliativversorgung. Es müssen Anreize zum Weiterleben geschaffen werden, aber keine grundsätzlichen Verbote. Das sehen die Verbände der Palliativ- und Hospizversorgung anders, die die Freitodhilfe in Hospizen ablehnen. So habe ich vergangene Woche den Tod einer 85jährigen Krebspatientin festgestellt. In den 5 Freitagsvisiten zuvor sagte sie mir immer wieder – „Ich möchte endlich Sterben, der liebe Gott hat mich wohl vergessen“. Während ich Patienten zuhause Freitodhilfe als Grundrecht leiste, ist mir das in manchem Heim und in Hospizen untersagt. Manch ein Verband, manch eine Einrichtung meint, Grundrechte nach Belieben einschränken zu dürfen.
Als Palliativarzt setzte ich mich dafür ein, dass Freitodhilfe bei schwerem Leiden oder am Lebensende nicht durch strenge Regeln verhindert wird. So käme eine verpflichtende psychiatrische Begutachtung am Sterbebett einem Totalverbot gleich, weil es kaum Psychiater gibt, die Freiverantwortlichkeit zeitnah bescheinigen. Ich hoffe, eines Tages gehört Freitodhilfe in das ganz normale Repertoire bei guter Palliativversorgung. Heute schon treffen wir schwere Entscheidungen am Lebensende in unseren Teams im 4 Augen-Prinzip. Freitodhilfe bei körperlicher Gesundheit oder bei psychiatrischen Krankheiten ist dagegen mit dem großen Problem behaftet, dass diese Wünsche in hohem Maße auch durch psychiatrische Willensunfähigkeit bedingt sein können. Hier braucht es Lebensschutz, hier sind strenge gesetzliche Regeln angemessen und sicher auch zumutbar. So sieht es die Mehrheit der Bevölkerung, so sieht es das Bundesverfassungsgericht. Wer aktuell körperlich Gesunden bei der Selbsttötung hilft, muss mit erheblichem Ermittlungsdruck der Staatsanwaltschaften rechnen, insbesondere wenn er nicht höchst sorgfältig die Freiverantwortlichkeit prüft.
Am Ende sollen hier die letzten Worte eines krebsbetroffenen Menschen stehen, nachdem er die Narkoseinfusion selber aufdrehte:
„Ich habe das immer gemocht, wenn ich eine Operation hatte, wenn man praktisch eingeschlafen ist. Also eine Betäubung, dass man von der Operation nichts mitkriegt. Beim Sterben ist es genau das gleiche. Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, sein Leben selbst zu beenden, wenn der Punkt gekommen ist. Diese Entscheidung liegt meines Erachtens einzig und allein beim betroffenen Menschen. Ich wünschte mir, dass sich das im Laufe der nächsten Zeit möglichst ändert, dass die Politik das endlich begreift.“
Dann verstummten die Worte, noch einmal holte er ganz tief Luft, dann war es still. 6 Minuten später zeigte das EKG eine Nulllinie.
Dr. Matthias Thöns, Palliativnetz Witten e.V., www.der-schlafdokor.de
[1] Die Tötung auf Verlangen ist mittlerweile in vielen anderen Staaten unter bestimmten Auflagen erlaubt. Hier zeigt sich aber, dass die Grenze der Auflagen nicht eingehalten wird, dass es immer wieder zu Tötungen auf Verlangen auch von Menschen kommt, die gar keine Tötung verlangen („Euthanasia without request“). Daher lehnt der Autor jegliche Liberalisierung in diese Richtung ab.
[i] Literatur: Thöns, Borasio, Führer: Assistierter Suizid. Rechtliche Debatte und klinische Praxis aus interdisziplinärer Sicht. 1. Auflage 2025, ISBN: 978-3-17-043069-3, Kohlhammerverlag
Sterbehilfe oder Begleitung wurde bislang bereits durchgeführt in Aachen, Berlin, Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Frankfurt, Gelsenkirchen, Hamburg, Hagen, Hamm, Köln. Krefeld, Mönchengladbach, Münster, Wuppertal, Leverkusen, Solingen, Paderborn, Herne, Neuss, Bottrop, Recklinghausen, Remscheid, Bergisch Gladbach, Siegen, Moers und Gütersloh.

